Nach dem Tod ihres Mannes findet die Witwe seinen unvollständigen Brief an eine andere Frau und stattet ihr einen Besuch ab.

LEBENSGESCHICHTEN

Nach fünfundfünfzig Jahren Ehe glaubte ich, alles über meinen Mann Justin zu wissen. Sein Tod hinterließ eine Leere in meinem Herzen, die sich nicht füllen ließ. Doch beim Durchsehen seiner Habseligkeiten und beim Festhalten an unseren gemeinsamen Erinnerungen stieß ich auf etwas, das das Fundament unseres Lebens erschütterte…

In einer alten Schachtel fand ich einen Brief mit vergilbten Rändern und Justins unverkennbarer Handschrift.

„Liebe Clara,“ begann er.
„Entschuldige, dass ich nicht mehr Zeit für dich fand, meine Liebe. Mach dir keine Sorgen: Ich werde dafür sorgen, dass wir uns am Wochenende sehen. Ich kann es kaum erwarten, dich und die kleine Sophia zu treffen…“

Der Rest war verschwunden, nur Bruchstücke blieben übrig. Meine Hände zitterten, als ich dieses Papier festhielt: Wer war Clara? Und wer war Sophia?

Unter dem Brief lag ein Foto: Ein viel jüngerer Justin stand neben einer schönen Frau, die ein Kind im Arm hielt. Sie alle lächelten wie eine richtige Familie.

Mein Herz schien auseinanderzubrechen. Hatte Justin etwa ein Doppelleben geführt? War ich für ihn nur eines der Puzzleteile seiner perfekt inszenierten Geschichte?

Ich brauchte Antworten. Nicht eher würde ich Ruhe finden, bis ich die Wahrheit kannte. Mutig notierte ich die Adresse vom Umschlag und machte mich auf den Weg.

Die Adresse führte mich zu einem schlichten Haus in einem ruhigen Viertel. Mit pochendem Herzen klopfte ich an, das Foto und den Brief fest umklammert. Die Tür öffnete mir eine gealterte, aber immer noch bemerkenswert schöne Frau; ihre Augen weiteten sich, als sie mich sah.

Письмо от жены потенциальной любовнице мужа | Обозреватель | OBOZ.UA

„Du musst Clara sein,“ flüsterte ich, die Stimme brüchig.
Ihr Blick wurde sanft, und sie nickte: „Ja… und du bist Margaret.“
Als sie meinen Namen sprach, fuhr mir ein Stich durch den Bauch. „Kennst du mich?“
Sie bat mich herein, und wir setzten uns an ihren kleinen Küchentisch. Sie schenkte mir Tee ein, und ihre Hände zitterten wie meine.

„Justin hat oft von dir gesprochen,“ begann sie.
Mir liefen die Tränen über die Wangen: „Welche Rolle habe ich in seinem Leben gespielt?“
Clara atmete tief ein, ihre Augen glänzten vor unvergossenen Tränen. „Ich war seine Schwester.“
Mir stockte der Atem. „Seine Schwester? Aber der Brief… das Foto… das ,Meine Liebe‘…“
Sie lächelte schwach: „Er nannte mich ,Liebe‘, weil er es lustig fand, dass ich die Einzige war, die ihm befehlen konnte… Sophia ist meine Tochter. Nachdem mein Mann bei einem Unfall gestorben war, half Justin uns: Er schickte Geld, besuchte uns, wann er konnte, und liebte Sophia wie sein eigenes Kind. Er wollte dich nicht mit diesen Details belasten oder dir das Gefühl geben, du müsstest seine Aufmerksamkeit teilen.“

Die Puzzlesteine fügten sich zusammen. „Er hat nie von dir oder von Sophia gesprochen.“
„Er wollte dich schützen,“ flüsterte Clara. „Er hat dich über alles geliebt, Margaret. Er sagte, du seist sein Herz, sein Licht. Er wollte nicht, dass seine Pflichten mir und Sophia gegenüber dich beschweren.“

Нет описания фото.

Die Wahrheit traf mich wie eine Welle aus Erleichterung und bittersüßer Rührung. Justin hatte mich nicht betrogen – er hatte nur stillschweigend seine Verantwortung für seine Familie getragen.

Clara führte mich in ein kleines Zimmer voller Fotos von Justin und Sophia aus vielen Jahren. Er war für sie ein zweiter Vater, ein Fels in der Brandung, als sie ihn am dringendsten brauchte.

Beim Anblick dieser lächelnden Gesichter überkamen mich Trauer, Dankbarkeit und Stolz auf den Mann, den ich geheiratet hatte.

Als ich ging, umarmten wir uns lange. „Danke, dass du gekommen bist,“ sagte Clara. „Ich wollte immer die Frau kennenlernen, die Justin am meisten geliebt hat.“

Auf dem Heimweg hielt ich das Foto von Justin, Clara und Sophia fest in der Hand. Mein Herz war noch verwundet, aber nicht mehr zerschlagen. Jetzt, da ich die Wahrheit kannte, konnte ich sein Andenken endlich in Ehren halten.

Rate article